In loser Folge erscheinen hier Betrachtungen, Erfahrungen, Impulse und Fragestellungen rund um Themen, wie Zen und wie die Zen-Übungspraxis mit dem Alltag in Berührung kommen.
Warum dieser Blog?
Müssen wir alle zu allem was sagen? Nö.
Und dann auch noch lesen?. Nö.
Hier ist Platz für eigene Gedanken … vielleicht mehr eine Art Selbstreflexion, wie die Zen-Übungspraxis sich im Alltag schlägt. Oder scheitert. Oder ausdrückt.
Einfach auch als pure Lust am Schreiben.
Wenn dabei sogar ein Beitrag für andere herauskommt: willkommen.
Also Selbstreflexion über Zen und Alltag.
Dazu kommen knappe Zitate, die helfen, Dinge, Ereignisse und eigene Narrative einzuordnen.
Wenn es klappt, erscheinen hier auch kürzere Beiträge von anderen.
Menschen auf einem Weg, mit ihrem ganz eigenen Hintergrund.
Wird sicher reicher, vielfältiger als wenn nur ich in die Tasten tippe.
Dazu kommen aktuelle Buchtipps oder links - und warum diese interessant sind.
Und Gedichte.
Und Haiku-Fotos. ZenArt.
Joana Macy
Seit einiger Zeit beschäftigen mich die grossen Herausforderungen, die Bedrohungen unserer Zeit. Wie wohl jeden von uns.
Krieg, Energiekrise, Covid, Klimakatastrophe als Beispiele.
Es ist schwierig, sich nicht überfordert zurückzulehnen und in die Haltung zu gehen: "Das ist zu gross für mich, da kann ich eh`nix bewirken!" Es gibt auch einiges, was für diese Haltung spricht.
Kenn ich.
Zur Zeit lese ich ein Buch von Joana Macy: Hoffnung durch Handeln. Ich werde sicher hier noch mehr dazu schreiben. Heute nur ein kleiner Ausschnitt - eines ihrer Gedichte ...
Klima-Aktivisten
Heute riskieren wir etwas
um einer Sache willen, die größer ist
als unser getrenntes, individuelles Leben,
wir fühlen uns mit Gnade beschenkt
von anderen Wesen und von der Erde selbst.
Die, mit denen und für die wir handeln,
geben uns Stärke
und Beredsamkeit
und ein Stehvermögen,
von dem wir nicht wussten,
dass wir es haben.
Joana Macy
Klettern&Zen
Neuerdings bin ich Mitglied einer Gruppe mit dem Namen: Golden Climbers. In der treffen sich Menschen ü65, die es lieben zu klettern, am Fels oder auch in der Halle.
Was das mit Zen zu tun hat? Sehr viel. Wenn ich mich in der Wand bewege, geht es gar nicht anders als ganz da zu sein. Jede Bewegung, jeder Griff, jeder Schritt … die Aufmerksamkeit ist voll da. Keine Chance darüber nachzudenken, ob du mal wieder zur Dental-Hygiene müsstest oder was du noch zum Abendessen einkaufen solltest oder was diese unmögliche Person zu Dir gesagt hat. Alles zu seiner Zeit, das alles ist wichtig, doch nicht jetzt: nur dieser Schritt. Eines von den vielen Dingen, die ich beim Klettern gelernt habe ist, wie sehr nur ein kleiner Schritt, eine kleine Drehung, ganz neue Möglichkeiten aufmacht, weiter zu klettern.
Golden Climbers … na gut, Silber hätte es auch getan. Es sind Leute, die erste Einschränkungen spüren (oder sogar schon mehr). Menschen, die nicht mehr die sportliche Leistungsfähigkeit haben wie früher - Arthrose, eine Verletzung, eine OP. Solche oder andere altersbedingte Beeinträchtigungen lassen die „alte“ Leistungsfähigkeit nicht mehr zu. Doch, es geht nicht mehr ums beweisen, es geht um die Freude an dieser Bewegungsform. Das Bemühen lässt locker und es ist Platz dafür, umzukehren. Oder es anders zu probieren.
Raum zu geben, sich selber einzugestehen, dass bestimmte Dinge anders als vorgestellt sind, ehrlich und respektvoll mit sich zu sein … was ist das anderes als auf dem Kissen zu sitzen und in den Spiegel zu schauen?
Ein anderer Blickwinkel 1
Tell me, what is it you plan to do with your one wild and precious life? Mary Oliver
In der Arbeit von Joana Macy gibt es 4 Schritte, die prozesshaft und auf einander aufbauend dem Ziel dienen, uns wieder intensiv mit uns selbst, mit anderen und mit der uns nährenden Erde in Kontakt zu bringen. Klimabewusstes Handeln nicht aus ökologischer Moral heraus, sondern aus dem tiefen Empfinden, dazu zu gehören, getragen zu sein, Teil von einander zu sein und damit auch Teil von Mutter Erde.
Im 3. Schritt (mit neuen Augen sehen) gibt es verschiedene Übungen.
Eine davon heisst: Was ist es, das durch Dich geschehen möchte?
Wir haben auf diese Frage in einer kleinen Gruppen, einer nach der anderen, Antworten gesucht und gefunden. Dieser Frage nachzugehen lohnt sich. Die Antworten darauf bringen Kraft mit sich, Gefühle von Hilflosigkeit treten zur Seite. Und sie bringen Respekt vor den unterschiedlichen Beiträgen und damit dem Reichtum an Möglichkeiten.
Zazen zu sitzen, zu warten, ehrlich hinzuschauen, ist für mich immer wieder Teil "in Verbindung" zu treten.
Und auch die Frage von Mary Oliver bekommt einen neuen Geschmack.
Tell me, what is it you plan to do with your one wild and precious life?
Ein anderer Blickwinkel 2
...demütiger Blick in das Feuerwerk zum Jahreswechsel.
This Hubble image of M92’s core is a composite made using observations at visible and infrared wavelengths. Located 27,000 light-years from Earth in the constellation Hercules. (NASA)
"Ich freue mich auf die Zukunft" - Hartnäckiger Optimismus
hier ein kurzer Ausschnitt aus einem beeindruckendem Interview mit Christiana Figueres. Eine Diplomatin, die 2010 Uno-Klimachefin wurde und eine Schlüsselperson beim Pariser Klimaabkommen 2015 war.
...Ich halte inne und erinnere mich: All die schlechten Nachrichten und düsteren Prognosen sind real und lösen bei mir negative Emotionen aus - Schwermut, Trauer, Verzweiflung. Ich lasse mich auf diese Gefühle ein, denn auch sie sind ein Teil von mir. Aber wenn wir wollen finden wir in der Fülle unserer Wirklichkeit immer Anzeichen von Schmerz und Freude. Von Katastrophen und von Schönheit. Von Traurigkeit und Freude. Immer.
Und so zwingen Sie sich, auch das Gute in einer Welt zu sehen, die am ökologischen Abgrund steht?
Wenn ich meine Brille des Leidens und der Verzweiflung aufsetze, werde ich nur danach suchen und auch darin bestätigt. Aber setze ich eine andere Brille auf, werde ich auch Freude und Glück finden. Wir dürfen es uns nicht zu einfach machen. Wir müssen uns für die ganze Komplexität öffnen.
Sie nennen diese Denkweise «hartnäckigen Optimismus».
Es wird immer Hürden geben - egal was wir tun und insbesondere bei einem so monumentalen Projekt wie der globalen Dekarbonisierung. Die optimistische Hartnäckigkeit besteht darin, alle Hürden anzuerkennen und sich davon nicht aufhalten zu lassen: Schliesst sich eine Tür, suchen wir nach einem Fenster; schliesst sich das Fenster, suchen wir nach einem Spalt.
Woher kommt dieser Blick auf die Welt?
Als Anthropologin bin ich darauf trainiert, die Welt mit einem weiten Blick zu betrachten und viele verschiedene Realitäten wahrzunehmen. Aber mein Studium des Engagierten Buddhismus hat mir dabei auch geholfen.
Engagierter Buddhismus?
Der Engagierte Buddhismus fragt: Wer sind wir? Wie können wir sicherstellen, dass wir aus unserem besten Selbst heraus handeln? Was sind in diesem Moment meine und unsere Handlungsoptionen? Wenn man einen Schritt zurück macht und all diese Fragen für sich beantwortet, wird man merken, in was für einer vergleichsweise tollen Zeit wir gerade stecken. Ich bin unglaublich privilegiert, gerade jetzt am Leben zu sein - und in der Weltgeschichte das Kapitel des Anthropozäns mitschreiben zu dürfen.
Bisher haben wir aber ein ziemlich düsteres Kapitel geschrieben ...
Das Anthropozän als neues geologisches Zeitalter fing in den 1950er-Jahren an. Damals begannen menschliche Aktivitäten das Klima und die Ökosysteme erheblich zu beeinflussen. Und ja, Sie haben recht, in den ersten 70-Jahren nutzten wir unsere Möglichkeiten unverantwortlich. Aber jetzt, da wir wissen, was unser Tun bewirkt, können wir viel verantwortungsvoller handeln. Ich freue mich auf die Zukunft, die wir gerade erschaffen.
Wie Narrative uns die Welt erklären
Angesichts der täglichen Flut an News, an Katastrophen, Kriegen, Opfern, bedrohlichen Szenarien, entsteht ein Bild von der Welt im Kopf. Ein Bild - von mehreren möglichen.
Rebecca Solnit spricht in ihren Interviews von Narrativen.
Es handelt sich um unsere eigenen gedanklichen Konstrukte, Interpretationen. Der konzeptuelle Rahmen, in den wir das, was wir erleben und was berichtet wird, einordnen.
Und glauben, dass es wahr ist. Und andere finden, die gleicher Meinung sind.
Ich möchte hier andere Narrative bedienen.
Die könnten so klingen:
„Das allerwichtigste, das wir für das Klima tun können ist, aufzuhören, als Individuen zu empfinden und zu agieren … und Teil von etwas zu werden, Teil einer Organisation, einer Gemeinschaft, einer Kampagne.“ Bill McKibben
Es sind andere Narrative. Demnach auch nicht "die Wahrheit", sondern Interpretationen der Gegenwart.
Tatsache ist: Es gibt auf diesem Planeten sehr viele, die schon an Lösungen arbeiten, bzw. solche gefunden haben (Wissenschaftler, Organisationen, Aktivisten, Politiker, Tüftler, Spinner, normale Konsumenten, Unternehmen, spirituell ausgerichtete Gruppen..) Die allermeisten arbeiten dezentral, bilden lebendige eigene Systeme, die sich entwickeln. Die Menschen dahinter sind getragen von einer dem Leben zugewandten Haltung: we care.
Unsere jahrelange Sitzpraxis hat möglicherweise die "Wahrheit" der vielen Gedankenketten, Befürchtungen und Sorgen, aber auch aller hoffnungsvollen Vorstellungen, begonnen zu relativieren.
Wir merken, dass wir nicht all dem Glauben schenken müssen, was uns gedanklich beschäftigt und was andere sagen.
Und wir erleben ein Stück Freiheit, wählen zu können, wohin wir uns wenden.
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Nicht-vermeiden: die Kunst der Gewohnheit
In einem Dharma-Vortrag von Barry fand ich etwas, das mich sehr erreicht hat. Er beschreibt, wie die wiederholte Erfahrung an Sesshins teilzunehmen, durchaus besondere Wirkung hinterlässt. Nur, anders als wir vielleicht denken oder uns wünschen.
Es ist dieses Einwilligen, das Einverstanden sein, nur DAS jetzt tun, nicht mehr oder weniger. Und das hinterlässt Spuren . Das frühere (und überhaupt nicht beliebte..) "...es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!" taucht bei mir wieder auf. Und mit viel weniger Widerstand - speziell während eines Sesshins - tue ich das. Auch wenn ich lieber, was anderes hätte. Doch genau das ist die Erfahrung: es anders haben zu wollen und alles mögliche zu versuchen, damit ich es hinbekomme - tritt häufiger zur Seite. Und es gibt immer nur das Nächste, das zu tun ist und was meine Antwort erwartet.
mmmhhh, es gibt Leute, die nennen so etwas Rentner-Leben.
Ich glaube, das stimmt so nicht.
Hier die Übersetzung eines Teils des Vortrags.
Unsere Vorstellung darüber, was wir aus einem Sesshin mitnehmen in den Alltag sind vielleicht die Intentionen oder innere Gelübde - Dinge die wir ganz bewusst tun wollen, bzw. an die wir uns immer wieder erinnern wollen.
Für mich, ich glaube auch für viele andere, ist das Merkmal der jahrelangen Zen-Übung diese tief verwurzelte Gewohnheit, nichts vermeiden zu wollen.
Papier wird nur einmal in die Hand genommen, eine Rechnung kommt daher, du öffnest den Umschlag (oder e-bill) und bezahlst sie. Kein Stapel, der entsteht. Du siehst ein Papierchen auf der Strasse und du hebst es auf. Im Waschbecken steht eine Tasse, du wäscht sie ab. Jemand ruft an, du antwortest. Eine hohe Kunst … ein automatisiertes Antwortverhaltens … Ansprechbarkeit - kein Widerstand, kein Verschieben.
Man denkt über die Dinge weniger nach und die Fragen „Sollte ich es jetzt tun oder vielleicht später? Möchte ich es tun oder fühle ich mich gerade nicht danach?“ stellt sich seltener.
Es ist erstaunlich, wieviel mentaler Raum besetzt ist. Schon voll mit all den Kleinigkeiten durch Beurteilung und Vermeidung, dem Versuch all die kleinen Dinge zu managen anstatt sie einfach zu tun.
Und - noch einmal - das klingt nicht wirklich sehr spirituell.
Von aussen betrachtet kann es auch aussehen wie ein Zwangsstörung-Training.